Hamburger Straßennamen -
nach Personen benannt

Heinrich-von-Ohlendorff-Straße

Bergstedt/Volksdorf (1936): Heinrich Jacob Bernhard Freiherr von Ohlendorff (17.3.1836 - 3.7.1928), Kaufmann, Besitzer des Gutshofes Volksdorf.


Siehe auch: Ohlendorffs Tannen
Siehe auch: Ohlendorffstraße
Siehe auch: Gertrud-Meyer-Straße
Siehe auch: Heinsonweg, Gutsverwalter

Die Straße wurde in der Zeit des Nationalsozialismus benannt.

Heinrich Jacob von Ohlendorff war der Sohn des Inspektors des Botanischen Gartens Johann Heinrich Ohlendorff (23.6.1788 Evern - 1.5.1857 Hamburg) (siehe unter: Ohlendorffstraße) und von Johanna Wilhelmine Theodora Ohlendorff, geborene Krause (genannt Minchen) (1803-1886).

1184 Heinrich V Ohlendorff
Heinrich Freiherr von Ohlendorff (1905); Quelle: via Wikimedia Commons

Sein Vermögen machte Heinrich Jacob von Ohlendorff, der das siebte Kind von Johann Heinrich und Minchen Ohlendorff war, mit seiner und seines Bruders Albertus von Ohlendorffs Firma Ohlendorff & Co (Sitz in der Schauenburger Straße 44), die mit Guano aus Peru handelte, so wie dies auch die Firma Sloman (siehe: Slomanstraße) tat. Wegen seines Handels mit Guano, der ihm unermesslichen Reichtum einbrachte, wurde er „Schitbaron“ genannt. Der Guano-Handel war ein kolonialer Handel, weil er auf der Ausbeutung der indigenen Wanderarbeiter beruhte. Mit Segelschiffen importierten die Brüder Ohlendorff Guano, der aus Exkrementen, Vogelkadavern und Federn bestand und auf den Chincha-Inseln vor Peru abgebaut wurde. In Europa wurde Guano als Düngemittel verwandt.

Zur Firmengründung kam es wie folgt: Albertus Ohlendorff (1834-1894) hatte im Handelshaus Mutzenbecher gelernt und nachdem diese Firma Konkurs gemacht hatte, „übernahm Albertus die mit Guano handelnde Firma unter eigenem Namen. (…) Als Prokuristen stellte er seinen erst 20 Lenze zählenden Bruder Heinrich ein. [Dieser hatte ebenfalls eine kaufmännische Lehre absolviert, R. B.]. Infolge der Weltwirtschaftskrise von 1857 machte das junge Unternehmen – ebenso wie 150 weitere Firmen - schon ein Jahr später Bankrott. Damit begann Heinrichs Aufstieg. Denn nun gründete er seinerseits am 14. Januar 1858 Ohlendorff & Co. Da er aber noch nicht volljährig war, musste der Senat ihn zuvor, mithilfe von zwei Bürgen, durch einen Beschluss für mündig erklären.“, 1) schreibt Karin von Behr in ihrem Buch „Die Ohlendorffs“. Nun stellte Heinrich seinen Bruder Albertus als Prokuristen ein.

Karin von Behr schreibt weiter über das Guanogeschäft: „Zum Erfolg des Guanogeschäftes gehörte nicht nur die Beschaffung, sondern auch die chemische Erschließung des Düngemittels (…).“ 2)

Im selben Jahr, als die Firma gegründet wurde, heiratete Heinrich Ohlendorff Elisabeth, geb. Martens (22.11.1838 Hamburg – 18.4.1928 Hamburg). Das Paar hatte sich bei der Konfirmation von Elisabeth Martens im Jahr 1854 kennengelernt. Das Paar bekam zehn Kinder, (geboren 1859, dieses Kind starb acht Monate später; 1861, 1862, 1864, 1865, 1867, 1869, 1871, 1874, 1880). Die Familie lebte ab 1873 in einer von Martin Haller (siehe: Martin-Haller-Ring) erbauten schlossähnlichen Villa an der Schwarzen Straße in Hamburg Hamm.

Elisabeth von Ohlendorff schrieb nach der Geburt ihres letzten Kindes, da war sie 41 Jahre alt, bis zu ihrem Tode Tagebuch (so sind 45 kleine Bücher entstanden 3). Sie „spiegeln das oft von alltäglichen Verrichtungen bestimmte Leben einer Frau und Mutter von zehn Kindern wider, die einem großen Stadtpalais in Hamm, einem Jagd- und Gutshaus in Volksdorf sowie zahlreichen gesellschaftlichen Verpflichtungen wie Jagddiners, musikalischen Soireen und dem legendären Ohlendorff’schen ‚Rennfrühstück‘ am Derbysonntag vorzustehen hatte.“ 4)

Elisabeth von Ohlendorff hatte zwei große Haushalte mit vielen Bediensteten zu führen. Da war die große Villa in Hamm und ein Jagdhaus in Volksdorf. Heinrich von Ohlendorff hatte nämlich eine große Leidenschaft und das war die Jagd, und so hatte er in Volksdorf Land gekauft und u. a. darauf ein Haus mit Gästehaus und Wirtschaftsgebäuden bauen lassen.

Die Kinder erhielten Kindermädchen und Gouvernanten. Karin von Behr schreibt über die Aufgaben der Hausfrau: „(…) neben dem kinderreichen Haushalt hatte sie Gesellschaften zu arrangieren und zahlreiche Gäste zu verköstigen. Konzerte fanden mit bis zu 250 Personen an kleinen Tischen im Saal und den beiden angrenzenden Salons statt. Die Musikdarbietungen der Familie wurden später durch Berufskünstler abgelöst. (…). Um sich vom Alltag und ihren Repräsentationspflichten zu erholen, kurte die tüchtige Familienmutter alljährlich in Karlsbad. Bildungsreisen, teils mit Kindern und teils allein, führten Heinrich und Elisabeth nach London, in verschiedene Teile Englands und Schottlands, nach Paris, Italien, in die Schweiz (…)“. 5)

Aus den Tagebucheintragen der Elisabeth von Ohlendorff kann man ersehen, um welche Themen sich ihr Alltag rankte. Hans Joachim Schröder schreibt dazu: „Sehr oft beginnen die Eintragungen - mit einem Hinweis zum Wetter. Sodann geht es – neben den Hausangestellten – ständig um die Kinder. (…) Fortlaufend folgen Notizen zum Haushalt, (…). Besonders ausgiebig wird festgehalten, wer zu Besuch da war, wen man besuchte, wer von den näheren oder ferneren Verwandten jeweils erschien. Dauernd begegnen einem die Namen bekannter Hamburger Familie. (…). Dabei wird stets (…) vermerkt: Machte Toilette. EvO strickt. Sie bemalt Porzellan, nimmt (…) Malstunden. Häufig gibt es Hinweise zum Befinden oder zu Erkrankungen (…). Theater- und Konzertbesuche werden gewissenhaft registriert.“ 6)

Intensiv beschäftigte sich Elisabeth von Ohlendorff in ihren Tagebüchern mit dem Hauspersonal. „Zwischen Herrschaft und Dienerschaft bestand ein klares Gefälle mit eindeutigen Grenzziehungen. Das Hauspersonal musste zuverlässig und treu sein, ferner sollten sich die Lohnkosten in einem überschaubaren Rahmen halten. Ohlendorffs zahlten wohl keine schlechten Gehälter, aber sie achteten doch in einer heute seltsam anmutenden Selbstverständlichkeit darauf, dass Großzügigkeit für die eigene Familie und für die gesellschaftliche Repräsentation reserviert blieb. Bei alldem is zu beachten, dass es keine Schwierigkeiten bereitete, für entlassene Hausangestellte Ersatz zu finden.“ 7) Und es gab immer wieder Entlassungen und Neueinstellungen.

Auch vertraute Elisabeth von Ohlendorff ihrem Tagebuch den Ärger mit ihrem Mann an. So am 10. Juli 1905. Dazu schreibt Hans Joachim Schröder: „Der Hausherr wollte alle Herren des ‚Einigkeitsklubs‘ [eine Herrenrunde, die sich regelmäßig traf und in der Heinrich von Ohlendorff Mitglied war, R. B.] nach Volksdorf nicht nur zum Essen, sondern auch zum Übernachten einladen. ‚Ich machte Heinrich Vorwürfe darüber, zuerst kam er, als ich über die kolossale Wäsche [sprach], die die 12 Menschen verursachten, mit der abgeschmackten Bemerkung, ich solle sie ja nicht waschen. Als ich ihm dann begreiflich machte, daß das zu viel Wäsche zu beseitigen gäbe, ehe der große Logierbesuch käme, da wurde er ordinair ausfallend wie ein ganz gewöhnlicher Mensch. Pfui, ich kann es garnicht vergessen. Was Heinrich wohl daraus hat, daß er gegen seine Nächsten so oft grob u. rücksichtslos, gegen Fremde, besonders wenn es ein Sonnabend ist, katzenfreundlich. ‚Charity begins at home‘, das ist mein Wahlspruch. Was gehen mich fremde Menschen an. Ich habe ihm heut Abend in aller Ruhe meine Meinung gesagt – und als er sich vertheidigte, habe ich ihm seine gemeine Weise vorgeworfen. Er antwortete darauf, er sei der Herr im Hause (hat noch niemand bestritten) u. er wolle sein Leben genießen, wolle was von seinem selbsterworbenen Geld haben. Darauf erwiderte ich, dann möchte er gefälligst consequent sein u. nicht mit dem Cliquot verschwenden u. mir im Hause namentlich bei Tisch Vorträge halten über jeden kleinen Kopf Blumenkohl, den Rest Milch, über zu reichlich geschälte Kartoffeln, die Abends für die Leute verwerthet werden, über die Brotreste, die im Hühnerstall liegen u. den Hühnern zu Gute kommen. Doch Schwamm darüber! Ich möchte mit Frau Dr. Petersen sagen, das leidliche Geld, das macht die Menschen nicht besser.“ 8) Hans Joachim Schröder interpretiert diese Aussagen Elisabeth von Ohlendorffs: „Im Zorn offenbarte Heinrich hier möglicherweise einen Kerninhalt seiner Lebensanschauung: als ‚Herr im Hause‘ wollte er sein Leben genießen und sein Geld, so kann man ergänzen, nach eigenem Gutdünken ausgeben. Er lebte, wie seine Urenkelin Almut Mutzenbecher es 2008 ausdrückte, ‚auf großem Fuß‘ – konnte aber, wie EvO [Elisabeth von Ohlendorff] deutlich macht, zugleich kleinlich und bei alledem immer wieder rücksichtslos sein.“ 9)
Elisabeth von Ohlendorff ärgerte sich auch über die Spielsucht ihres Gatten: er spielte leidenschaftlich viel und lange Skat. Außerdem rauchte er viel, was sich gesundheitlich auswirkte: Heinrich von Ohlendorff musste häufig husten.

1873 wurden Heinrich und Albertus Ohlendorff von Kaiser Wilhelm I. geadelt (siehe: Kaiser-Wilhelm-Straße, Kaiser-Wilhelm-Platz). Heinrich von Ohlendorff hatte „in Hamm während des Deutsch-Französischen Krieges ein Lazarett für verwundete Offiziere bereitgestellt.“ 10)
Ein Jahr zuvor hatten die beiden Brüder Ohlendorff gemeinsam mit der Norddeutschen Bank die „‘Norddeutsche Allgemeine Zeitung‘ und 1880 die Norddeutsche Druckerei und Verlagsanstalt in Berlin (erworben), um die politischen Ziele Bismarcks [siehe: Bismarckstraße], zu dessen Freundeskreis sie gehörten, besser unterstützen zu können.“ 11)

1884, nachdem Albertus von Ohlendorff das Geschäft in eine Aktiengesellschaft umwandelte, ließ sich Heinrich von Ohlendorff seine Anteile auszahlen, (Verteilungsmasse: „Grundkapital von 16 Millionen Mark, Fabriken mit insgesamt 1000 Arbeitern in Hamburg-Steinwerder, Reiherstieg, Emmerich am Rhein, Antwerpen“ 12) denn, so Karin von Behr, hatte er „keinerlei Neigung (…) sich einem Verwaltungsrat zu unterwerfen“. 13) und gründete eine neue Firma unter dem Namen Heinrich von Ohlendorff. Dazu erwarb er ein Haus in der Ferdinandstraße 32, wo er sein Kontor einrichtete. „Nach einigem Nachdenken beschloss er, sein Geldvermögen nicht durch ein neues Geschäft, sondern nur noch durch stabile Kapitalanlagen zu vergrößern oder wenigstens zu erhalten.“ 14) Später wurde Heinrich von Ohlendorff Vorsitzender des Aufsichtsrates der Firma seines Bruders, nachdem dieser im Alter von 57 Jahren gestorben war.

Der Großgrundbesitzer Heinrich von Ohlendorff verfügte über zahlreiche Ländereien, u. a. in Volksdorf. „Zum Zweck der Kapitalsicherung investierte er 1884 in einen von Martin Haller geplanten neuartigen Bautypus: Der Dovenhof (Ecke Dovenfleet/Brandstwiete,1967 abgerissen), das erste Kontorhaus Deutschlands, bot 9.000 Quadratmeter vermietbare Fläche. Ohlendorff betätigte sich als Aufsichtsratsmitglied verschiedener Reedereien, Banken und Versicherungsgesellschaften. Außerdem war er 31 Jahre lang Präsident der 1860 gegründeten Zoologischen Gesellschaft und bis 1926 Senior der Börse und der Hamburger Kaufmannschaft.“ 15) Aber damit nicht genug: Er war auch Aufsichtsratsvorsitzender der Handels- und Plantagengesellschaft der Südseeinseln zu Hamburg und Aufsichtsratsmitglied der Hamburg Südamerikanischen-Dampfschifffahrts-Gesellschaft, Vorstandsmitglied im Hamburger Rennclub. Auch engagierte er sich – wie es zum guten Ton der sogenannten tonangebenden Gesellschaft gehörte - auf karitativem Gebiet, so war Ohlendorff 1922/23 Vorsteher der Niederländischen Armen Casse. „Über die Wissenschaftliche Stiftung, an deren Zustandekommen mehrere Vorsteher der Niederländischen Armen-Casse finanziell beteiligt waren, trug Heinrich Freiherr von Ohlendorff auch zur Gründung der Universität bei.“16)

Heinrich von Ohlendorff fungierte auch als Aufsichtsratsmitglied der Albingia Versicherungs-Gesellschaft A.G. und der Versicherungs-Gesellschaft Hamburg.

Als der Erste Weltkrieg begann, war dies Anlass, dass Elisabeth von Ohlendorff sich in ihren Tagebüchern auch dieses Themas annahm. Hatte sie das Thema Politik zuvor nie angesprochen und sich politisch positioniert, so tat sie dies nun. Hans Joachim Schröder, der die Tagebücher analysiert hat, äußert dazu: „Unverkennbar führte die Politisierung – treffender vielleicht das Politisieren – im Lauf der Jahre zu einem übersteigerten Nationalgefühl, d. h. zu einer Radikalisierung, in der ein unausgesprochener Patriotismus sich zu einem offensiv vertretenen Nationalismus wandelte.“17)

Nach dem Krieg und in der Zeit der Weimarer Revolution zeigte sich in Elisabeth von Ohlendorffs Tagebucheintragungen, so Hans Joachim Schröder, „eine rechtskonservative, nationalistische, auch antisemitische Haltung (…).“18) Schröder resümiert: „Es verwundert nicht, dass Elisabeth von Ohlendorff eine entschiedene Gegnerin linker Politik war. Auffällig ist jedoch, wie bereitwillig sie antisemitischer Propaganda Glauben schenkte, wobei sie naiv auch der später im Nationalsozialismus geläufig werdenden Gleichsetzung von ‚links‘ und ‚jüdisch‘ folgte. Erschreckend ist die Aggressivität, mit der sie am 16, März 1925 auf die Folgen nach dem Tod des am 16. August 1921 ermordeten Politikers Matthias Erzberger (siehe: Erzbergerstraße, R. B.] reagierte; wahrscheinlich hatte sie einen Bericht in der Zeitung gelesen. ‚Für rechtsradikale und deutschnationale Gruppierungen erfüllte Erzberger das Feindbild des ‚Novemberverbrechens‘, da er als Leiter der deutschen Waffenstillstandskommission am 11. November 1918 das Waffenstillstandsabkommen von Compiègne unterzeichnet hatte. Zur vergeblichen Strafverfolgung der Attentäter schreibt Elisabeth von Ohlendorff: ‚Gesegnet seien die Mörder Erzbergers! Dieses Schurken, der ein großes deutsches Volk elend gemacht hat. Gott schütze die Mörder des Halunken. (…).“ 19)

Welche politische Gesinnung Heinrich von Ohlendorff damals hatte? Vielleicht dachte er ähnlich wie seine Frau? Beide starben im Jahr 1928, sie im April, er im zwei Monate später im Juni 1928.