Krusestraße
Bergedorf/Lohbrügge (1949): Iven Kruse (11.4.1865 Ruhwinkel – 10.5.1926 Büdelsdorf b. Rendsburg), niederdeutscher Dichter.
Siehe auch: Hermann-Löns-Höhe
Vor 1949 hieß die Straße Friedrich Ludwig Jahn-Straße. Bereits in der NS-Zeit sollte die Straße im Zuge des Groß-Hamburg-Gesetzes in Iven-Kruse-Straße umbenannt werden, da nun das bisherige Staatsgebiet Hamburg um benachbarte preußische Landkreise und kreisfreie Städte erweitert worden war und es dadurch zu Doppelungen bei Straßennamen kam. Bedingt durch den Krieg kam es nicht mehr zu dieser Umbenennung und es blieb bis 1949 bei Friedrich Ludwig Jahn-Straße. (vgl.: Staatsarchiv Hamburg 133-1 II, 26819/38 Geschäftsakten betr. Straßennamen B. Die große Umbenennung hamb. Straßen 1938-1946. Ergebnisse der Umbenennung in amtlichen Listen der alten und neuen Straßennamen vom Dez. 1938 und Dez. 1946)
Hermann Löns äußerte sich zu Kruse, dem "Schwarzbrotesser" (Titel eines Buches von Kruse, in dem von ihm verfasste Geschichten veröffentlicht wurden): „Menschen in Nordniedersachsen sind so: mit derbem Realismus auf dem Boden stehend, mit zitternder Seele in die Unendlichkeit spähend und den Fehlbetrag zwischen Soll und Haben des menschlichen Daseins mit stillem Humor buchend.“ 1)
In der Buchankündigung von Volker Grieses Buch „Iven Kruse. Leben und Werk“ heißt es über Iven Kruses Werdegang: „Er verkehrte in Kreisen der aufstrebenden Naturalisten, der jungen Wilden, die die Literaturlandschaft umkrempeln wollten. Klaus Groth [siehe: Klaus-Groth-Straße] war voller Lob, Detlev von Liliencron [siehe: Liliencronstraße] sah in ihm den Wiederbeleber der niederdeutschen Ballade und Theodor Fontane [siehe: Fontanestraße] sprach den Figuren seiner Erzählungen gar etwas Tolstoihaftes zu. Es war ein weiter Weg, den der Holsteiner Johannes 'Iven' Kruse (1865–1926) mit Dorfschulbildung allein als Autodidakt zurücklegte. Doch er hatte Talent, als Erzähler wie auch als Prosadichter oder Essayist. Der ganz große Durchbruch blieb ihm allerdings versagt. Zu sehr forderte der Kampf ums tägliche Brot als Redakteur seinen Tribut. Was bleibt, ist der Einblick in Leben und Werk einer Person, die zu den großen norddeutschen Lyrikern und Kulturkritikern zählt.“ 2)
Johannes Christian Kruse war der Sohn von Dorothea Magdalena Kruse, geb. Horst und des Schmieds Johann Friedrich Kruse in Ruhwinkel, Kreis Plön. 3)
„Kruse besucht die einklassige Dorfschule. Zum Schmiedehandwerk hat er kein Interesse; viel lieber liest er die Geschichten Theodor Storms [Theodor-Storm-Straße], Eduard Mörikes [Mörikestraße] und die Werke Wilhelm Raabes [Wilhelm-Raabe-Weg]. So soll er die Lehrerlaufbahn einschlagen. Doch der Besuch der Präparande in Barmstedt scheitert; aus Heimweh kehrt Kruse kurze Zeit später nach Hause zurück. 1884 nimmt er eine Hilfsarbeiterstelle bei Wilhelm Biernatzkis in Kiel an, der die ‚Schlesw.-Holst. Jahrbücher‘ herausgibt. Mit Beginn des Volontariats bei der ‚Kieler Zeitung‘ 1885 erscheinen die ersten literarischen Arbeiten. Die Veröffentlichung der niederdeutschen Ballade ‚De Schattentog‘ lenkt die Aufmerksamkeit des Dichters Detlev von Liliencron [Liliencronstraße] auf Kruse. Liliencron ist es, der ihm den Künstlernamen ‚Iven‘ gibt.“ 4)
Auf Anraten von Liliencron ging Kruse 1891 nach München, um hier als freier Schriftsteller zu wirken, was ihm aber nicht gelang. Er konnte zwar „einige Arbeiten bei der neu gegründete Zeitschrift ‚Moderne Dichtung. Monatsschrift für Literatur und Kritik‘ (…) unterzubringen (…), kommt auch in Kontakt mit theosophischen Kreisen, in deren Monatsschrift ‚Sphinx‘, (…) – vornehmlich metaphysischen Themen gewidmet – er 1892 die kurze Prosadichtung ‚Die Gekreuzigte‘ noch einmal veröffentlichen kann. Insgesamt gelingt es ihm nicht, in München recht Fuß zu fassen. Desillusioniert zieht er ein halbes Jahr später in seinen Heimatort zurück. Bei einem Aufenthalt in Hamburg lernt er den Verleger des ‚Cuxhavener Tageblattes‘, Georg Rauschenplat, kennen, der ihm eine Stelle anbietet, und Kruse greift zu. (…). Weitere Stationen sind: 1902 Feuilletonredakteur bei den ‚Hamburger Nachrichten‘, 1911 Chefredakteur des Feuilleton beim Hamburger ‚Fremdenblatt‘, 1919 Feuilletonredakteur der ‚Kieler Zeitung‘, 1922 Redakteur der ‚Schleswigschen Grenzpost‘ in Flensburg, 1923 Redakteur der Kulturbeilage ‚Salz und Brot‘ der ‚Niederdeutsche Rundschau‘.“ 5)
In dieser Zeit, als Kruse sein täglich Brot als Zeitungsredakteur verdiente, heiratete er 1917 im Alter von 52 Jahren die damals 30 Jahre alte Elsa Irma Penkwitt (19.11.1887 Danzig – 5.12.1950 Hamburg). Das Paar bekam zwei Söhne. 6)
Neben seiner Schriftstellerei betätigte sich Kruse kulturpolitisch. So war er 1920 „Mitinitiator und Ausschußmitglied (neben Prof. Otto Mensing, Direktor Heinrich Harms u.a.) eines Kulturprogramms für Schleswig-Holstein, an dessen erster Stelle die Schaffung einer Landesschule, vergleichbar mit der heutigen Volkshochschule, steht und als zentrale Sammlungs- und Forschungsstätte im Kieler Schloß ein Museum für Vorgeschichte, eine Landeshalle, eine Kunsthalle und eine Landesbibliothek eingerichtet werden sollte. Ferner wird u.a. die Schaffung von Professuren für regionale Geographie und Geologie, für Niederdeutsche Sprache und für Skandinavien und die Hanse gefordert. Weitere Forderungen lauten auf Herausgabe des Schleswig-Holsteinischen Wörterbuchs, Herausgabe einer allgemeinen Bibliographie für heimische Literatur, Beendigung des unwürdigen Umgangs mit schleswig-holsteinischen Urkunden und Aufbau eines geordneten Archivwesens in Schleswig und die Selbstständigkeit des Kieler Museums für vaterländische Altertümer gegenüber der Reichshauptstadt Berlin. ‚Machtpolitik ohne Kulturuntergrund ist morsch und brüchig. Wirtschaftspolitik ohne Kulturideen ist gehaltlos und materialistisch. Kultur muß alle Lebensäußerungen eines Volkes tragen und erfüllen. Kulturpolitik zielt auf Wesen und Dauer und ist darum letzten Endes wichtiger und wertvoller als Macht- und Wirtschaftspolitik, wenn auch ohne diese nicht zu leisten.‘“ 7)
1925 versuchte Kruse erneut, als freier Schriftsteller finanziell über die Runden zu kommen.
Kruses „größtes Erzählwerk ‚Der dritte Bismarck‘ wird nach Erscheinen auf Betreiben eines Flensburger Verlegers per Gerichtsbeschluss konfisziert und vernichtet“. 8) Dazu schreibt Volker Griese, der sich intensiv mit Iven Kruse beschäftigt: „In Teilen der Presse kursierte das Gerücht, daß das Werk, den Politikern in Preußen nicht genehm, ja gefährlich wäre, und mundtot gemacht werden sollte. Tatsache ist allerdings, daß sich ein Flensburger Verleger bei den von Kruse nur leicht verschlüsselten Personenbeschreibungen unrühmlich genannt fühlte und das Gericht bemüht hatte.
Wer aber war der dritte Bismarck? Der erste ist wohlbekannt. Mit dem zweiten – der Fabel nach – war Ernst Thälmann [Ernst-Thälmann-Platz] gemeint, aber der dritte? Kruse hat sich nicht festgelegt, aber wie so viele sich in einer Zeit der politischen Spannungen, der wirtschaftlichen und sozialen Unsicherheit nach einer ordnenden Hand gesehnt. Doch Rechts- wie Linksradikalismus war seine Sache nicht. Wie lautet eine Stelle im Roman über eine der literarischen Figuren: „Er sah die Pöbelherrschaft voraus, … 'Er sah die Reaktion voraus, die sie hervorrufen würde, und die sich jetzt anzukünden scheint. Aber geistlos, wie die Pöbelherrschaft, würde auch sie sein; davor gilt es sich jetzt zu hüten! –'
Vielleicht war es die aus dem Zitat herausleuchtende kompromißlose Haltung, die dazu führte, daß das Werk auch den Nationalsozialisten nicht angenehm war und es 1938 gemäß der ‚Liste des schädlichen und unerwünschten Schrifttums‘ zur verbotenen Literatur zählte.“ 9)
Harald Timmermann beleuchtet in seiner Biografie über Kruse andere Textpassagen aus Kruses Werk „Der dritte Bismarck“ und folgert daraus: “Der Versuch Hans Ehrkes und P. Jessens, ihn [Kruse] sieben Jahre nach seinem Tode zu einem Propheten nationalsozialistischer Heimatideologie umzudeuten, stellte eine unzulässige Vereinnahmung dar. Wenngleich K. in seinem nur dürftig als Heimatroman verkleideten politischen Ideenroman ‚Der dritte Bismarck‘ darlegt, Deutschland müsse ‚aus den Kräften des eigenen Volkstums‘ zu einer neuen Ordnung kommen, Interessengegensätze durch eine Erziehung auf die ‚Volksgemeinschaft‘ hin überwinden möchte und ähnliche in der nationalsozialistischen Gedankenwelt wiederkehrende Vorstellungen vertritt, bestehen entscheidende Differenzen zum Nationalsozialismus in K.s Absage an revolutionäre Veränderung, Militarismus und Zentralismus sowie durch das Fehlen der für die Programmatik der NSDAP konstitutiven Rasseideologie.“ 10)
Kruse starb während er mit einer „Auftragsarbeit für die Familie Ahlmann über die Historie der Hollersche Carlshütte in Rendsburg“11) beschäftigt war