Bernstorffstraße
St. Pauli (1948): benannt nach: Johann Hartwig Ernst Graf von Bernstorff (13.5.1712 Hannover – 18.2.1772 Hamburg), dänischer Staatsminister und nach Andreas Peter Graf von Bernstorff (28.8.1735 Hannover – 21.6.1797 Kopenhagen), Staatsminister
Siehe auch: Klopstockstraße
Siehe auch: Stolbergstraße
Siehe auch: Willebrandstraße
Siehe auch: Mumsenstraße
Die Straße könnte auch mitbenannt werden nach Charitas Emilie Bernstorff (1733-1820), Salonnière im Weimar. Siehe auch Rubrik: verschwiegene Frauen
Bereits in der NS-Zeit wurde die Bernstorffstraße als neuer Straßenname (alter Straßenname: Adolfstraße, benannt 1857 nach Hans Adolph Wieck, Bauunternehmer, (vgl.: Staatsarchiv Hamburg, Registratur Staatsarchiv AZ. 1521-1/5 Band 3-5: Straßennamen (neue Kartei), alphabetisch geordnete mit Hinweisen) in der Liste „Umbenannte Straßen“ aufgeführt. Die Liste wurde im Hamburger Adressbuch von 1943 veröffentlicht und listet alle in der NS-Zeit umbenannten Straßen auf, auch diejenigen, bei denen die konkrete Umbenennung noch nicht vollzogen wurde. Bereits umbenannte Straßen wurden mit einem Stern gekennzeichnet.
Nach der Einführung des Groß-Hamburg-Gesetzes im Jahre 1937, durch das z. B. Altona, Wandsbek, Harburg-Wilhelmsburg, Lokstedt, Niendorf, Schnelsen, Rahlstedt, Bramfeld, Lohbrügge und andere Gebiete, die heute Hamburger Stadtteile sind, nach Hamburg eingemeindet wurden, ergaben sich bei den Straßennamen häufig Doppelungen. So entschloss sich das NS-Regime 1938, „insbesondere Namen aus dem niederdeutschen Raum“ und „Personen der schleswig-holsteinischen Geschichte“ bei der neuen Straßennamensvergabe zu berücksichtigen.
Viele der für eine Umbenennung in Frage kommenden alten Straßennamen wurden in der NS-Zeit aber nicht mehr umbenannt. Eine Umbenennung nach den 1943 aufgelisteten neuen Straßennamen erfolgte für diverse Straßennamen dann nach der Befreiung vom Nationalsozialismus. So wurde die Bernstorffstraße 1948 benannt.
Hartwig Ernst Graf (Graf seit 1767) von Bernstorff war der Sohn von Sophie Charlotte von Bernstorff und des kurhannöverschen Kammerherrn und Kriegsrates Joachim Engelke Freiherr von Bernstorff. Über seinen Hauslehrer Hofmeister Kreyßler erhielt er eine gute Bildung und studierte dann in Göttingen und Tübingen mit dem Abschluss zum Dr. jur. et civilis. Danach folgte die für Adlige übliche Grand Tour durch mehrere Länder.
„1750/51 (…) wurde [Hartwig Ernst Graf von Benstorff] zum Chef der Deutschen Kanzlei in Kopenhagen und damit auch zum Leiter der dänischen Außenpolitik berufen. Er hat dieses Amt 19 Jahre bekleidet und der dänische Gesamtstaat galt in dieser Zeit als eines der bestregierten Staatswesen in Europa. In kriegerischem Umfeld befolgte er eine Neutralitäts- und Friedenspolitik aus christlicher Überzeugung und machte sich für die spätere Bauernbefreiung in Dänemark und Holstein verdient.“ 1)
1770 wurde er aus dem dänischen Staatsdienst entlassen. Fortan lebte er in Hamburg und auf den geerbten Gütern Wotersen, Stintenburg, Wedendorf.
Hartwig Ernst Graf von Bernstorff, der in seinen Bauerndörfern die Leibeigenschaft abschaffte, heiratete 1751 im Alter von 39 Jahren die damals 18-jährige Charitas Emilie von Buchwald (3.3.1733 Herrenhaus Borstel, Gemeinde Sülfeld, Schleswig-Holstein – 26.5.1820 Weimar). Die Heirat wurde hauptsächlich wegen der Mitgift, die Charitas Emilie mit in die Ehe brachte, geschlossen. Das Paar, das in einem, Stadtpalais in Kopenhagen lebte, hatte keine Kinder, nahm aber nach dem Tod von Verwandten der Bernstorffs deren Sohn und Tochter auf.
Charitas Emilie von Bernstorff ließ die Schulpflicht im Gutsbezirk Borstel einführen.
Sie und ihr Mann waren befreundet mit dem Dichter Klopstock (siehe: Klopstockstraße). Er lebte im Haus der Gräfin, „solange ihre wirtschaftlichen Verhältnisse, die nach dem Tode ihres Mannes (1772) eingeschränkt waren, es erlaubten, nämlich bis zum Frühjahr 1774.“ 2)
Als Erben hatte Hartwig Ernst Graf von Bernstorff seine Neffen Joachim Bechtold und Andreas Peter von Bernstorff, die Söhne seines älteren Bruders, eingesetzt. Andreas Peter von Bernstorff wurde sogar Eigentümer des Gutes Borstel, das Charitas Emilie mit in die Ehe gebracht hatte.
Nachdem Charitas Emilie Bernstorff im Alter von 39 Jahre Witwe geworden war, bezog sie zur Miete ein Haus am Jungfernstieg in Hamburg. 1779 zog sie auf Anregung ihrer Nichte Sophie von Bernstorff, die seit dem frühen Tod ihrer Eltern bei den Bernstorffs lebte, nach Weimar und zwar in die Nähe zum Frauenplan, in Teinerts Gäßchen (heute: Brauhausgasse 10). Sophie von Bernstorff hatte ein Jahr zuvor den Weimarer Geheimen Regierungsrat Ernst Karl Konstantin von Schardt geheiratet.
Charitas Emilie Bernstorffs Anwesen in Weimar bestand aus einem dreiflügeligen Bau mit einem Garten. Dort führte sie bis zu ihrem Tode 1820 ein „vornehmes“ und offenes Haus, „das neben dem Musenhof Anna Amalias im Wittumpalais als ein Zentrum geselligen und künstlerisch-literarischen Lebens den Ruf der Kulturstadt Weimar innerhalb Deutschlands und darüber hinaus weiter verbreiten und befördern hilft. (…) Gräfin Charitas Emilie von Bernstorff, als Tochter der wohlhabenden Holsteiner Adelsfamilie von Buchwald auf Borstel in Holstein geboren, hatte an der Seite [ihres Gatten] bereits gut zwei Jahrzehnte lang in mehreren großen Häusern, zunächst in Kopenhagen und ab 1770 dann in Hamburg, die Fäden der Haushaltung und des gesellschaftlichen Lebens in der Hand gehalten und als ebenso unauffällige wie souveräne Gastgeberin, durchaus vergleichbar den zeitgenössischen Salonieren in Paris, im Zentrum künstlerischer und literarischer Aktivitäten gestanden. Ihre besondere Liebe galt dabei dem Theaterspiel und der Musik.“ 3)
In Weimar beschäftigte die Gräfin eine eigene Hauskapelle, was „wesentlich zu ihrer Beliebtheit bei[trägt]. Es erweist sich außerdem als Gewinn für die Weimarer Gesellschaft, daß Emilie von Bernstorff (…) Johann-Joachim Christoph Bode (1730-1793) als ihren Geheimsekretär und Hausminister aus Hamburg mitgebracht hat. Der zu dieser Zeit bereits berühmte Musiker, Komponist, Sprachlehrer, Dichter, Übersetzer, Verleger und Vermittler der Aufklärung ist für die ‚großen Köpfe Weimars‘ wie Herder [siehe Herderstraße], Goethe [siehe Goethestraße], Wieland (…) durch seine Freundschaft mit Klopstock [siehe Klopstockstraße] und Lessing [siehe Lesingstraße] interessant (…). Für die Gräfin ist und bleibt er der unersetzliche Verwalter, Arrangeur, Begleiter. (…) Zu offiziellen Terminen und Festivitäten außer Haus erscheint sie stets in seiner Begleitung.“ 4)
Andreas Peter Graf von Bernstorff, nach dem die Verkehrsfläche ebenfalls benannt ist, war der Sohn von Dorothea Wilhelmine von Bernstorff, geborene von Weitersheim und des Landrats Andreas Gottlieb Freiherr von Bernstorff d. J Auch er trat, wie sein Onkel, nach dem Studium und einer Grand Tour in Dänische Dienste und wurde Kammerjunker. Er war Ritter des Dannebrog- und des Elefantenordens. 1769 wurde er Geheimer Rat und 1773 Staatsminister des Äußeren; außerdem Präsident der Deutschen Kanzlei und Mitglied des Staatsrats. Er setzte das Verbot des Sklavenhandels 1792/1803 durch, welches mit der Aufhebung der Leibeigenschaft im Rahmen der Bauernbefreiung einherging. In Wikipedia heißt es: „Ihm ist besonders die Befreiung des Bauernstandes in Dänemark von persönlichen und wirtschaftlichen Fesseln zu danken. Auch an der Aufhebung der Leibeigenschaft in Schleswig-Holstein hatte er einen bedeutenden Anteil, obwohl sie erst nach seinem Tod erfolgte. Dabei war er im Sinne der Aufklärung ein standhafter Verteidiger liberaler Regierungsprinzipien und erklärte sich stets entschieden gegen jede Beschränkung der Pressefreiheit.“.5)
1763, im Alter von 28 Jahren heiratete er die damals 16-jährige Henriette Katharina zu Stolberg-Stolberg (12.1.1747 Bramstedt – 13.8.1782 Kiel). Das Paar bekam zwölf Kinder (so z. B.: 1767, 1769, 1770, 1771, 1773, 1776, 1777, 1781). Nach dem Tod seiner Frau, die im Alter von 35 Jahren verstarb, heiratete der Witwer einer großen Kinderschar ein Jahr später im Jahr 1783 die damals 29-jährige Schwester seiner verstorbenen Frau: Augusta Louise zu Stolberg-Stolberg (7.1.1753 Bramstedt – 30.5.1835 Kiel). Das Paar bekam ein Kind (geb.1788), welches mit drei Jahren verstarb. Der Nachwelt bekannt wurde Auguste Louise wegen ihres Briefwechsels mit Goethe (siehe: Goetheallee und Goethestraße). Sie ging als Goethes Gustchen in die Literaturgeschichte ein.
Vor ihrer Ehe mit Andreas Peter Graf von Bernstorff hatte sie seit ihrem 17. Lebensjahr von 1770 bis 1783 im adligen Kloster Uetersen, ein Stift für unverheiratete höhere Töchter, - zuvor ein Zisterzienserinnenkloster - gelebt. Dort hatte sie sich der Literatur und dem Briefeschreiben gewidmet. Auch hatte sie die englische Sprache erlernt und war häufig auf Reisen gewesen. In diese Zeit fällt auch ihr Briefwechsel mit Goethe.
Nachdem Augusta Louise Goethes Roman „Die Leiden des jungen Werther“ gelesen hatte und davon begeistert gewesen war, sich aber als gläubige Katholikin auch empört gezeigt hatte über den Freitod des jungen Werther, begann sie 1774, zuerst noch anonym, einen Briefwechsel mit Goethe, „(…) doch schnell bekam Goethe die Identität seiner Briefpartnerin heraus“.6) „Goethe war [damals] 26 Jahre jung und in die Frankfurter Bankierstochter Lili Schönemann verliebt, als die Brieffreundschaft mit Auguste begann. ‚Gustgen‘, wie er sie nannte, lebte als ledige Adelige im Kloster Uetersen. Die Konventualin galt als begabte Briefautorin, war sehr belesen, interessierte sich enorm für die literarische Welt ihrer Zeit und besonders für Goethe. Umgekehrt wurde Gustgen für den jungen Dichter zu einer Seelen- und Beichtschwester: ‚Wie wohl ist mir’s dass ich so mit Ihnen reden kann‘, schrieb er, und: ‚Ich hab immer eine Ahndung, Sie werden mich retten, aus tiefer Noth.‘ Ihr vertraute er seine wirren Gefühle für Lili an, mit der er gegen den Willen der Eltern verlobt war. Nach der Trennung von Lili und dem Umzug nach Weimar versiegten die Schreiben an die Freundin in Norddeutschland allmählich.“ 7) 1822 schrieb Auguste Louise Goethe nochmals einen Brief, den er 1823 erwiderte. Persönlich lernten sie sich nie kennen.
Auguste Louise von Bernstorff korrespondierte seit 1791 auch mit Lavater (siehe: Lavaterweg) und dieser ebenso auch mit Auguste Louises Ehemann Andreas Peter Graf von Bernstorff. Der Graf gehörte in Kopenhagen seit ca. 1789 einer kleinen Geheimgesellschaft an, die meinten "mit Christus in einem medialen Kontakt" 8) zu stehen. Außerdem glaubte dieser Kreis, dass Auguste Louise in einem früheren Leben Maria Magdalena gewesen sei.9)
Auguste Louise, Schwester der Dichterbrüder Christian und Friedrich Leopold Grafen zu Stolberg (siehe: Stolbergstraße), die Mitglieder des Göttinger Hains waren, pflegte auch einen regen Briefwechsel mit Klopstock und Matthias Claudius (siehe: Claudiusstraße, Claudiusstieg) und war mit den meisten Göttinger Dichtern – auch persönlich - bekannt.
Nach dem Tod ihres Gatten (1797) wohnte Augusta an unterschiedlichen Orten hauptsächlich bei Verwandten und hielt regen Kontakt zu Verwandten und Freunden, so auch zu dem Pastor, Philosophen und Schriftsteller Johann Caspar Lavater (siehe: Lavaterweg).