Hamburger Straßennamen -
nach Personen benannt

Stolbergstraße

Uhlenhorst (1948): Christian Graf zu Stolberg-Stolberg (15.10.1748 Hamburg – 18.1.1821 auf Schloss Windeby), Dichter, Übersetzer, Freimaurer.


Siehe auch: Bernstorffstraße

Bereits 1943 wurde die Stolbergstraße als neuer Straßenname (alter Straßenname: Reuterstraße) in der Liste „Umbenannte Straßen“ aufgeführt. Die Liste wurde im Hamburger Adressbuch von 1943 veröffentlicht und listet alle in der NS-Zeit umbenannten Straßen auf, auch diejenigen, bei denen die konkrete Umbenennung noch nicht vollzogen wurde. Bereits umbenannte Straßen wurden mit einem Stern gekennzeichnet.

Nach der Einführung des Groß-Hamburg-Gesetzes im Jahre 1937, durch das z. B. Altona, Wandsbek, Harburg-Wilhelmsburg, Lokstedt, Niendorf, Schnelsen, Rahlstedt, Bramfeld, Lohbrügge und andere Gebiete, die heute Hamburger Stadtteile sind, nach Hamburg eingemeindet wurden, ergaben sich bei den Straßennamen häufig Doppelungen. „Insbesondere Namen aus dem niederdeutschen Raum“ und „Personen der schleswig-holsteinischen Geschichte“ sollten bei der neuen Straßennamensvergabe berücksichtigt werden.

Viele der für eine Umbenennung in Frage kommenden alten Straßennamen wurden in der NS-Zeit aber nicht mehr umbenannt. Eine Umbenennung nach den 1943 aufgelisteten neuen Straßennamen erfolgte für diverse Straßennamen dann nach der Befreiung vom Nationalsozialismus. So wurde die Stolbergstraße 1948 benannt.

Christian Graf zu Stolberg-Stolberg war der Sohn von Christiane zu Stollberg-Stollberg, geborene Gräfin zu Castell-Remlingen und des dänischen Geheimrats und Kammerherrn, Graf Christian Günther zu Stolberg-Stolberg.

Der Vater starb früh und Christiane zu Stolberg-Stolberg kaufte das Gut Rungstedt bei Kopenhagen, später zog sie nach Altona.
Christian zu Stolberg-Stolberg und sein Bruder sowie seine Schwester, die später Äbtissin wurde, wurden von Friedrich Gottlieb Klopstock [siehe: Klopstockstraße] erzogen. Später studierte Christian zu Stolberg-Stolberg von 1770 bis 1772 Jura und Literatur.

Im Alter von 29 Jahren heiratete Christian zu Stolberg-Stolberg 1777 die 30-jährige Witwe Friederike Luise von Gramm, geb. von Reventlow. (siehe: Reventlowstraße) Das Paar blieb kinderlos.

Die Ehefrau: Friederike Luise Gräfin zu Stolberg-Stolberg

Über Christian Stolberg Stolbergs Ehefrau Friederike Luise Gräfin zu Stolberg Stolberg, geb. von Reventlow, seit 1768 verwitwete von Gramm (21.8.1746 Kopenhagen - 29.11.1824 Pederstrup, Dänemark) heißt es bei Jürgen Behrens: „Innerhalb des Stolbergschen Familien-Kreises ist Luise St. eine Ausnahmeerscheinung. Unter den Frauen dieses Kreises ist sie geistig die bedeutendste, menschlich – neben Katharina – die problematischste. Nach offenbar unguten Erfahrungen in ihrer ersten Ehe zögerte sie lange, ehe sie 1777 Christian St. heiratete.“ 1)

Friederike Luise war im Alter von 14 Jahren mit dem neun Jahre älteren Oberjägermeister und Kammerherrn Christian Friedrich von Gramm verheiratet worden. Die Ehe soll sehr problematisch verlaufen sein. Acht Jahre nach der Hochzeit verstarb der Gatte, so dass sich Friederike nun im Witwenstand einrichten konnte.

Jürgen Behrens schreibt: „Aus dem Briefwechsel zwischen Boie und Luise Mejer wissen wir, daß das Familienleben [der zu Stolberg-Stolberg] in [Schloss] Tremsbüttel keineswegs immer so harmonisch war, wie es die Familienbriefe erscheinen lassen. Luises herrische, ja tyrannische Launen müssen oft schwer zu ertragen gewesen sein. Ihre spröde Natur wirkte nicht selten erkältend (F.Brun), (…) Ihre Korrespondenz war ihre Haupttätigkeit, sie führte genau darüber Buch und brachte es gelegentlich auf an die 1000 Briefe im Jahr. (…) . Daneben betrieb sie eine ausgebreitete Lektüre in mehreren Sprachen und las auch philosophische Literatur, z. B. Kant [siehe: Kantstraße]. Bezeugt ist ihre Mitarbeit an Christian St.s Drama ‚Otanes‘; sie selbst schrieb nach der Continuation des ‚Emil‘ von Rousseau ein nicht unbeachtliches kleines Drama ‚Emil‘.2)

Beruflicher und weiterer Lebensweg von Christian zu Stolberg-Stolberg
Christian zu Stolberg-Stolberg fungierte in Tremsbüttel als Amtmann und ließ sich dort ein neues Schloss erbauen. In der Datenbank „Hamburger Persönlichkeiten“ heißt es: „Dieses Haus macht seine Frau zu einem Ort des kulturellen Mittelpunkts und geistigen Austauschs. Viele Gäste der Stolbergs sind bekannte Persönlichkeiten, die zum großen Teil dem Bund der Freimaurer angehören (Baggensen [siehe: Baggesenstieg], Claudius [siehe: Claudiusstraße], Herder [siehe: Herderstraße], Klopstock [siehe; Klopstockstraße], Voß [siehe: Voßweg] und viele mehr).

In den Jahren 1787 bis 1815 erscheinen von ihm viele Übersetzungen, Dramen und lyrische Dichtungen.“ 3) 1800 gab Christian zu Stolberg-Stolberg seine Stelle als Amtmann auf und zog auf das Gut Windeby bei Eckernförde. Im Biographischen Lexikon für Schleswig-Holstein und Lübeck schreibt Jürgen Behrens: „Bei dem Kauf [Schloss Windeby, R. B.] hatte er sich finanziell übernommen und wurde die Geldsorgen bis zu seinem Tode nicht mehr los. Der Lebenskreis wurde enger, lediglich die Korrespondenz mit seinem Bruder führte er intensiv weiter. (…) Ch. St.s schriftstellerische Tätigkeit steht im Schatten der seines bedeutenderen Bruders. (…) Seine rd. 50 Gedichte sind fast ausschließlich Gelegenheitsgedichte, seine Dramen-Versuche (…) sind nur mehr historisch interessant. Seine Stärke lag auf dem Gebiet der Übersetzung. 1782 erschienen seine ‚Gedichte aus dem Griechischen‘; eine zweibändige Übers. der Dramen des Sophokles kam 1787 heraus. Christian – intellektuell viel einfacher veranlagt als sein Bruder – hat keinerlei Wandlungen durchgemacht.“ 4).

Die Schwester Henriette Katharina zu Stolberg-Stolberg
Weitaus interessanter erscheint der Lebensweg von Christian zu Stolberg-Stolbergs Schwester Henriette Katharina zu Stolberg-Stolberg (5.12.1751 Bramstedt, Holstein - 22.2.1832 Peterswaldau, Schlesien), die unverheiratet blieb. In der Allgemeinen Deutschen Biographie heißt es über Henriette Katharina zu Stolberg-Stolbergs Bildung in Jugendzeiten: „Auf ihre Jugendentwicklung wirkte nächst dem frommen pietistisch einfachen Vater und der auch tiefreligiösen aber sehr beweglichen Mutter ein Kreis bedeutender Persönlichkeiten, der Dichter Klopstock, der Hofprediger Cramer und die gräfliche Familie v. Bernstorff [siehe: Bernstorffstraße], mit denen die Familie im Winter seit 1756 in Kopenhagen verkehrte, während der Sommer auf dem ungemein lieblichen Landsitze Rungsted auf Seeland verlebt wurde. Als der Vater gestorben war, folgte sie 1770 der Mutter nach Hamburg, wo sie theilweise die Kopenhagener Freunde wiederfand, theils einen weiteren Kreis tüchtiger und geistvoller Männer und Frauen zum Verkehr um sich versammelt sah. Unter solchen Einflüssen erhielt ihr Geist und Gemüth die reichste Anregung, und da sie sich im Wetteifer mit ihren Brüdern und als echtes Kind ihrer Zeit der schönen Litteratur, der antik-griechischen und der neueren und vaterländischen hingab, wurde sie eine der gelehrtesten Frauen ihrer Zeit. (…) Aber so gelehrt und voll Geistes sie war, so blieb ihr Wesen doch kindlich einfach und schlicht, so frei von litterarischer Ruhmsucht, wie es zu ihrer Zeit selten gefunden wurde. (…).“ 5)

Über ihren weiteren Lebensweg nach dem Tod ihrer Mutter schreibt Jürgen Behrens: „Das exzentrische Temperament ihrer Mutter Christiane hat von allen Geschwistern Katharina St. am stärksten geerbt (…). Sie war zwar Stiftsdame des Klosters Valløin Dänemark, aber von einem festen Wohnsitz kann keine Rede sein; vor unerwarteten Besuchen konnten ihre Freunde und Verwandten so wenig sicher sein wie vor ihren überraschenden Einfällen. 1802 folgte sie ihrem Bruder Friedrich Leopold in die katholische Kirche, um bald darauf wieder protestantisch zu werden. Etwa 1806, als sich G.F.E. Schoenborn endgültig in Emkendorf niederließ, entstand mit diesem, den Katharina St. von früher her kannte, eine Lebensgemeinschaft, eine Quasi-Ehe, die zwei sehr unterschiedliche Temperamente seltsam verband.“ 6) Hierzu erfahren wir mehr in der Allgemeinen Deutschen Biographie: „Von gleichem geistigen Streben, gleichem Glauben beseelt suchte Schönborn, im 70. Lebensjahre stehend, in der etwa 56 Jahre alten K. einen festen Halt für das Leben. So entschlossen sich beide, da an eine Ehe der hohen Jahre wegen nicht gedacht wurde, zu einer unzertrennlichen festen Lebens- und Gütergemeinschaft. K. pflegte den verehrten Freund mit aller Treue bis in sein 80. Lebensjahr. Nur dem Wahren und Idealen nachstrebend, sah man dieses eigenthümliche Paar wohl in einem Aeußern, das einer älteren Zeit angehörte und nicht zu viel Rücksicht auf den Geschmack des Tages nahm (…). Das Ableben Schönborn’s am 29. Juni 1817 ertrug K. mit christlicher Fassung, die ihre christlichen Freunde bewunderten und war in edler Weise bemüht, das bescheidene Vermögen Schönborn’s dessen noch lebender Schwester zu sichern. Die Vereinsamung der Greisin, die viel an den Augen litt, und deren Kraft auch sonst gebrochen war, erschien nach einer so erwünschten 10jährigen Lebensgemeinschaft doppelt groß. Zuweilen kam sie bei ihrem von Jugend auf leicht erregten Nervensystem auch aus dem Gleichgewicht. Aber bis in ihr hohes Alter durchzuckte doch auch in solchen Zuständen ein heller Strahl ihres ehemaligen Geistes dieses Halbdunkel und gab ihr einen fast prophetischen Ausdruck, und ihr ehrwürdiges Gesicht erschien wie verklärt. Wenn auch die Sinnenwelt ihr zuweilen entschwand, bis zu ihrem Ende stand ihr Glaube fest (…).“7)

Jürgen Behrens beschreibt die Gemütslage von Katharina zu Stolberg-Stolberg nach dem Tod von Schoenborn als: „greisenhafte [r] Schrulligkeit, nicht ohne bösartige Züge“. 8)