Hamburger Straßennamen -
nach Personen benannt

Mutzenbecherweg

Lokstedt (1952): Franz Matthias Mutzenbecher (17.4.1779 Hamburg - 7.7.1846 Lokstedt), Kaufmann, Mitglied der Commerzdeputation, zeitweilig ihr Präses, Vorbesitzer des Geländes.


Siehe auch: Willinks Park
Siehe auch: Arnold-Heise-Straße
Siehe auch: Baurs Park
Siehe auch: Schröderstiftstraße

Die Straße könnte auch nach seiner Verwandten Wilhelmine Mutzenbecher geb. Hübbe (26.10.1801 Hamburg - 5.6.1878 Hamburg) mitbenannt werden. Stifterin, Ehefrau des Kaufmanns Ferdinand Mutzenbecher (1805-1848), „der als Hamburgischer Konsul zumeist in Chile arbeitete“. 1) Die Kombination Konsul und Kaufmann war bei Kaufmännern beliebt, da dies – auch wenn die Arbeit eines Konsuls unentgeltlich getätigt wurde – dem Geschäftsmann zu mehr Ansehen, was sich wiederum auf die Auftragslage positiv auswirken konnte, verhalf. Durch seine berufliche Tätigkeit als Teilhaber der Londoner Firma „Huth, Grüning & Co.“, „die Filialen in Lima bzw. Callao und im chilenischen Valparadiso unterhielt“, 2) kann davon ausgegangen werden, dass er vom Kolonialismus profitierte.

Wilhelmine und Ferdinand Mutzenbecher – Ferdinand Mutzenbecher war ein Cousin von Franz Matthias Mutzenbecher - , die 1843 geheiratet hatten, gehörten zum Kreis der norddeutschen Erweckungsbewegung, die „sich neben einer religiösen und sittlichen Erneuerung der Gesellschaft karitativen Aufgaben verpflichtet fühlte“ 3), so Bodo Schümann in seinem Porträt über Wilhelmine Mutzenbecher.

Fünf Jahre nach der Hochzeit starb 1848 Ferdinand Mutzenbecher. Die „kinderlose Witwe [setzte] ihre ganze Kraft und ihr Vermögen für ihr soziales Engagement ein. Auf Anregung Wicherns [siehe: Wichernsweg] und des ‚Vereins für Innere Mission in Hamburg‘ gründete sie, orientiert am konservativ-bürgerlichen, christlich-theologisch untermauerten Familienbild, in ihrem eigenen Haus am Hühnerposten 19 mit Unterstützung von Therese Abendroth [siehe: Abendrothsweg und Theresienstieg] und Amanda Wagner 1849 die ‚Martha-Stiftung zu gunsten junger weiblicher Dienstboten. Junge Frauen aus sozial benachteiligten Familien wurden hier für hauswirtschaftliche Tätigkeiten in bürgerlichen Familien zu Dienstboten ausgebildet.“ 4) Deshalb auch der Name der Stiftung. Sie wurde benannt nach der biblischen Martha, die als die Hauswirtschafterin schlechthin galt. Die Stiftung diente ursprünglich als Ausbildungsstätte für Dienstmädchen.

Die Martha-Stiftung befand bis zum Tode von Wilhelmine Mutzenbecher in deren Privaträumen am Hühnerposten 19. Wilhelmine Mutzenbecher vollzog zwischen ihrem eigenen Haushalt und der Arbeit in der Stiftung keine Trennung. Zusammen mit ihrer Nichte Amanda Wagner, geb. Mutzenbecher und ihrer Freundin Therese Abendroth (siehe: Theresienstieg) oblag ihr die Leitung der Stiftung.

In den ersten Jahren seit Bestehen der Stiftung wurden vierzehn Mädchen ausgebildet. Sie erhielten keinen Lohn, kamen in „ehrbare” Haushalte, arbeiteten dort vormittags und erhielten nachmittags in der Stiftung Haushaltungsunterricht sowie christliche Unterweisung. Wenn sie nicht in den Häusern der Herrschaften wohnten, übernachteten sie in der Stiftung.
Im Laufe der Jahre vergrößerte sich die Stiftung. Das Nachbarhaus Hühnerposten Nr. 20 wurde hinzugekauft und eine Pension für alleinstehende Damen eingerichtet. Später erfolgte ein zweiter Umzug in die Lange Reihe 44, dann in die Koppel 66a. Hier entstand das erste eigene Haus, abgekoppelt von der Privatwohnung von Wilhelmine Mutzenbecher.
Ein weiterer Arbeitszweig ab 1875 war der so genannte Vorhof: Hier wurden noch nicht konfirmierte und noch zur Schule gehende 12 bis 14-jährige Mädchen untergebracht. Sie wurden auf ihre Konfirmation und auf ihre Ausbildung zu Dienstmädchen vorbereitet. Dieses Angebot galt hauptsächlich für Waisen.

Nach dem Tod von Wilhelmine Mutzenbecher übernahmen ab 1880 die Diakonissen die Arbeit in der Stiftung. Die Haushaltungsschülerinnen arbeiteten nun nicht mehr in Privathaushalten, sondern die Stiftung entwickelte sich zu einer umfassenden Haushaltungsschule unter christlicher Leitung. Zur praktischen Übung für die Schülerinnen wurden Mittagstische für Damen und eine Kinderkrippe eingerichtet.

1884 wurde in der Baustraße (heute Hinrichsenstraße) ein Martha-Haus errichtet. Hier gab es auch für zugereiste Frauen, die in Hamburg eine Stellung als Dienstmädchen suchten, Herberge und kostenlose Stellenvermittlung.
In den 20er- und 30er-Jahren des 20. Jhds. kamen die Arbeitsbereiche: Betreuung körperbehinderter Kinder und ein Mütterheim hinzu. 1943 wurden die Stiftsgebäude in der Hinrichsenstraße ausgebombt. 1953 erfolgte der Neubau eines Altenheimes in Hamburg-Rahlstedt. Heute gehören zur Martha Stiftung die Altenheime Martha Haus, Morathstiftung ( Vierbergen 25), Seniorenzentrum St. Markus ( Gärtnerstraße 64), das Kinderheim “Im Erlenbusch” ( Klosterwisch 8), das Sozialtherapeutische Zentrum für Suchtkranke ( Hummelsbüttler Hauptstraße 15), das Hilde Wulff Haus (siehe: Hilde-Wulff-Weg) ( Wulfsdorfer Weg 10), die Ambulante Behandlungs- und Beratungsstation “Die Hummel” ( Am Hehsel 40), die Tagesklinik Bakhausenweg 11.5)

Zürück zum Straßennamensgeber Franz Matthias Mutzenbecher:
Franz Matthias Mutzenbecher war der Sohn von Gerdrut Wagener und des Kaffee- und Zuckerimporteurs Friedrich Andreas Mutzenbecher (1741-1813). Auch er wurde wie sein Vater Kaufmann. Er gründete 1818 die Firma Franz Matthias Mutzenbecher. Damals war er seit 13 Jahren verheiratet und hatte acht Kinder.

1805 hatte der damals 26-Jährige die damals 20-jährige Friederica Amanda Heise (22.111785 Hamburg -25.11.1858 Hamburg) geheiratet. Sie war die Tochter des Bürgermeisters Johann Arnold Heise (Arnold-Heise-Straße). Das Paar bekam 11 Kinder, von denen zwei im Alter von ca. einem Jahr verstarben (geboren: 1806, 1808, 1809, 1810, 1812, 1814, 1815, 1817, 1819, 1821, 1823). Einige der Kinder heirateten in andere sogenannte tonangebende Hamburger Familien ein, so in die Familien Schlüter (siehe: Schlüterstraße), Hudtwalcker (siehe: Hudtwalckerstraße) und von Melle (siehe: Von-Melle-Park).

Bei Weule steht über den beruflichen Lebensweg des vielfachen Vaters: „Kaufmann zu Hamburg, 1794-1802 bei Joh. Berenberg Gossler u. Co .tätig, [siehe: Berenberg-Gossler-Weg) begründete 1803 mit Samuel Becker die Firma ‚Samuel Becker u. Co.‘, bereiste Holland, Frankreich, Spanien, Portugal und England, nach der 19.11.1806 erfolgten französischen Besetzung Hamburgs zog er 1807 nach Altona, 1807-1817 mit seinem Schwager G. F. Baur [siehe: Baurs Park] Inhaber der Firma ‚J.H. u. G. F. Baur‘ ebd., begründete 1818 zu Hamburg unter eigenem Namen ein Geschäft, 1818 Handelsrichter, 1821 Waisenhaus-Provisor und Mitglied des Großen Armen-Kollegiums, 1822-1828 Commerz-Deputierter,182.. bis 1827 dessen Präses, 1828 vom Commercium in die Schiffahrts- und Hafen-Deputation abgeordnet, 1828 Mitglied der Makler-Deputation,1829 Kämmerei-Präses der Kämmerei und Kämmerei-Deputierter in die Bank-Deputation und in die Revisions-Kommission des allgemeinen Rechnungswesens.“ 6)

Durch seine Tätigkeiten in den obengenannten Firmen profitierte er vom Kolonialismus.

In Anerkennung seiner Verdienste um den Wiederaufbau der 1842 bei dem Hamburger Brand abgebrannten Petri-Kirche wurde an der Seite des Altars sein Wappen in Stein gehauen. 7)

Die Familie Mutzenbecher wohnte in der Reichenstraße 37. Im Sommer hielt sie sich auf ihrem Landsitz in Lokstedt auf. Dieses Flurstück hatte Franz Matthias Mutzenbecher 1823 gekauft und darauf ein Landhaus auf der Höhe des Rüterberges erbauen lassen.

Nach seinem Tod ging der Lustgarten 1850 an Carl Heinrich Willink (siehe: Willinks Park).