Georges-Andre-Kohn-Straße
Schnelsen (1992), zwölfjähriges Opfer des Nationalsozialismus
Siehe auch: Brüder-Hornemann-Straße; Eduard-Reichenbaum-Weg; Walter-Jungleib-Straße; Marek-James-Straße; Marek-Steinbaum-Weg; Roman-Zeller-Platz; Sergio-de-Simone-Stieg; Günther-Schwarberg-Weg.
Siehe auch: Geschwister-Witonski-Straße; Jacqueline-Morgenstern-Weg; Lelka-Birnbaum-Weg; Mania-Altmann-Weg; Riwka-Herszberg-Stieg; Wassermannpark; Zylberbergstieg; Zylberbergstraße
Georges-André gehörte zu den 20 jüdischen Kindern, die vom SS-Arzt Josef Mengele für medizinische Experimente ausgewählt und in das Konzentrationslager Neuengamme verbracht wurden. Hier führte der SS-Arzt Dr. med. Kurt Heißmeyer im KZ Neuengamme an Geeorges André Kohn und weiteren 19 Kindern Impfversuche mit Tuberkulosebazillen durch, mit dem Ziel, nachzuweisen, dass eine zusätzlich gespritzte Dosis Tuberkelbazillen in einen bereits erkrankten Körper die Immunität des an TBC Erkrankten erhöhen würde. Diese Methode war längst als äußerst gefährlich erkannt und verworfen worden. Die Kinder erlitten durch die Impfung starke Schmerzen und gesundheitliche Schäden. Sie bekamen hohes Fieber, wurden bettlägerig, verloren den Appetit. Die durch die injizierten Tuberkulosebazillen angeschwollenen Lymphdrüsen wurden operativ entfernt. Die SS war sich der Unmenschlichkeit dieser Experimente durchaus bewusst. Um sie geheim zu halten, wurden die Kinder in einer Geheimaktion in die Schule am Bullenhuser Damm gebracht. Diese Schule war am 1. Oktober 1944 zu einem Außenkommando des KZ Neuengamme erklärt und mit elektrisch geladenem Stacheldraht umzäunt worden. 592 Häftlinge wurden hier von sechszehn SS-Männern bewacht. Als die Kinder dorthin kamen, war die Schule wegen der vier Kilometer von Hamburg verlaufenden Front bereits geräumt. 20 Jungen und Mädchen im Alter zwischen fünf und zwölf Jahren, ihre beiden französischen Häftlingsärzte, ihre zwei holländischen Häftlingspfleger und etwa 30 sowjetische Kriegsgefangene wurden, nachdem sie Morphiumspritzen bekommen hatten, am 20. April 1945 im Keller der Schule an Schlingen erhängt, die an an der Decke befestigten Fleischerhaken hingen.
Georges-André Kohn wurde am 23. April 1932 in Paris geboren; er ist entfernt verwandt mit dem britischen Zweig der Bankiersfamilie Rothschild. Sein Vater, Armand Edouard Kohn (1894-1962), war seit Kriegsbeginn Direktor des jüdischen Krankenhauses „Hopital Rothschild“ in Paris. Aufgrund seiner Stellung war die Familie Kohn zunächst vor den Deportationen geschützt. Kurz vor der Befreiung von Paris durch alliierte Truppen im August 1944 wurden jedoch auch sie gemeinsam mit anderen prominenten Juden verhaftet. Georges-André Kohn, seine Eltern Armand und Suzanne Jenny, seine älteren Geschwister Antoinette, Philippe und Rose-Marie sowie die Großmutter Marie-Jeanne wurden am 28. Juli 1944 in das Sammellager Drancy bei Paris gebracht.
Am 17. August 1944 erfolgte die Deportation in das Reichsinnere. Der Waggon mit den 51 Deportierten war direkt an den Zug gekoppelt, in dem der letzte Kommandant von Drancy floh. Die prominenten Gefangenen waren vermutlich als potenzielle Geiseln vorgesehen. Am dritten Tag der Fahrt gelang den Geschwistern Philippe und Rose-Marie – gemeinsam mit etwa 30 anderen Gefangenen – die Flucht aus dem Zug. Angeblich blieb Georges nur deshalb bei seinem Vater zurück, weil der die Rache an den Zurückgebliebenen fürchtete. 1) Die anderen Familienmitglieder wurden in Konzentrationslager verschleppt: Georges-André Kohns Vater Armand wurde ins KZ Buchenwald deportiert und überlebte die Haft. Seine Mutter Suzanne und seine Schwester Antoinette wurden in das KZ Bergen-Belsen gebracht, wo beide kurze Zeit später starben. Georges-André kam mit seiner Großmutter in das KZ Auschwitz-Birkenau. Dort wurde er von ihr getrennt und kam wie Jacqueline Morgenstern (siehe: Jacqueline-Morgenstern-Weg) in die Kinderbaracke (…).“2) und von dort ins KZ Neuengamme.
Text: Cornelia Göksu