Hamburger Straßennamen -
nach Personen benannt

Eduard-Reichenbaum-Weg

Schnelsen (1993): Eduard Reichenbaum (15.11.1934 Kattowitz – 20.4.1945 ermordet Schule Bullenhuser Damm Hamburg), 10-jähriges polnisches Kind, Opfer des Nationalsozialismus


Siehe auch: Brüder-Hornemann-Straße; Georges-Andre-Kohn-Straße; Walter-Jungleib-Straße; Marek-James-Straße; Marek-Steinbaum-Weg; Roman-Zeller-Platz; Sergio-de-Simone-Stieg; Günther-Schwarberg-Weg.
Siehe auch: Geschwister-Witonski-Straße; Jacqueline-Morgenstern-Weg; Lelka-Birnbaum-Weg; Mania-Altmann-Weg; Riwka-Herszberg-Stieg; Wassermannpark; Zylberbergstieg; Zylberbergstraße.

Eduard Reichenbaum gehörte zu den zwanzig fünf bis zwölf Jahre alten jüdischen Kindern aus fünf Nationen, die in der Nacht vom 20. auf den 21. April 1945 im Keller der Schule Bullenhuser Damm von Angehörigen der SS erhängt wurden.

Zuvor hatte der SS-Arzt Dr. med. Kurt Heißmeyer im KZ Neuengamme an Eduard Reichenbaum und weiteren 19 Kindern Impfversuche mit Tuberkulosebazillen durchgeführt, mit dem Ziel, nachzuweisen, dass eine zusätzlich gespritzte Dosis Tuberkelbazillen in einen bereits erkrankten Körper die Immunität des an TBC Erkrankten erhöhen würde. Diese Methode war längst als äußerst gefährlich erkannt und verworfen worden. Die Kinder erlitten durch die Impfung starke Schmerzen und gesundheitliche Schäden. Sie bekamen hohes Fieber, wurden bettlägerig, verloren den Appetit. Die durch die injizierten Tuberkulosebazillen angeschwollenen Lymphdrüsen wurden operativ entfernt. Die SS war sich der Unmenschlichkeit dieser Experimente durchaus bewusst. Um sie geheim zu halten, wurden die Kinder in einer Geheimaktion in die Schule am Bullenhuser Damm gebracht. Diese Schule war am 1. Oktober 1944 zu einem Außenkommando des KZ Neuengamme erklärt und mit elektrisch geladenem Stacheldraht umzäunt worden. 592 Häftlinge wurden hier von sechszehn SS-Männern bewacht. Als die Kinder dorthin kamen, war die Schule wegen der vier Kilometer von Hamburg verlaufenden Front bereits geräumt. 20 Jungen und Mädchen im Alter zwischen fünf und zwölf Jahren, ihre beiden französischen Häftlingsärzte, ihre zwei holländischen Häftlingspfleger und etwa 30 sowjetische Kriegsgefangene wurden, nachdem sie Morphiumspritzen bekommen hatten, am 20. April 1945 im Keller der Schule an Schlingen erhängt, die an an der Decke befestigten Fleischerhaken hingen.

Eduard Reichenbaum wurde am 15. November 1934 in Kattowitz in Polen geboren. Seine Familie nannte ihn Edulek. Sein Vater Ernst Reichenbaum arbeitete als Buchhalter in der Filiale eines deutschen Verlags. Kurz vor dem Zweiten Weltkrieg zog die Familie mit Eduard und seinem zwei Jahre älteren Bruder Jerzy in den Ort Piotrków Trybunalski bei Łódź, wo die Großeltern wohnten.

1943 wurde die Familie in das Zwangsarbeitslager Bliżyn verschleppt. Dort mussten Eduard und Jerzy in einem Kommando arbeiten, das Socken für die Wehrmacht produzierte. Der neunjährige Eduard entging in Bliżyn einer Selektion, bei der fünfzig Kinder unter zehn Jahren deportiert und ermordet wurden. Sein Vater, der wegen seiner guten Deutschkenntnisse im Lagerbüro arbeitete, hatte das Geburtsdatum seines Sohnes gefälscht und ihn damit älter „gemacht“. Im September 1944 wurde die Familie in das KZ Auschwitz deportiert. Jerzy und sein Vater kamen in das Männerlager, wo der Vater im November starb. Eduard kam mit seiner Mutter Sabina Reichenbaum zunächst in das Frauenlager. Später wurde er in die Kinderbaracke verlegt. Sabina Reichenbaum kam im November 1944 in ein Außenlager des KZ Buchenwald in Lippstadt. Zum selben Transport gehörte auch Mania Herszberg, die Mutter von Riwka Herszberg (siehe: Riwka-Herszberg-Stieg).

Eduards Bruder Jerzy Reichenbaum wurde bei der Räumung des KZ Auschwitz in die weiter westlich liegenden Konzentrationslager Sachsenhausen und später Mauthausen gebracht und überlebte. Noch 1945 emigrierte der dreizehnjährige Junge nach Israel, 1947 folgte ihm seine Mutter. Sie suchten nach Eduard, doch erst 1984 erfuhr Jerzy, der sich inzwischen Jitzhak nannte, durch einen Artikel in der israelischen Zeitung „Maariv“ vom Schicksal seines Bruders Eduard. Jitzhak Reichenbaum besucht regelmäßig die Gedenkfeiern am Bullenhuser Damm und spricht mit Jugendlichen über das Schicksal seines Bruders.

Informationen zusammengestellt von Cornelia Göksu